Sonntag, 1. Juni 2008

Gemüse

ESSAOUIRA BLOG #1 ÖFENTLICH, UNZENSIERT und UNVERSCHLÜSSELT 09.05.2008

Hat sich viel verändert hier in den letzten 4 Jahren?

Eigentlich nicht. Es ist aber auch eine Frage der Wahrnehmung. Ein Beispiel. Ich kann mich erinnern immer in Essaouira Bettler gesehen zu haben. Aber ich meine, früher habe ich die Bettler nur an bestimmten, sozusagen institutionalisierten, Plätzen gesehen. An Moscheen, an den grossen Toren in der Stadtmauer und an der Place(Moulay Hassan). Aber nicht gehäuft in den Wohngebieten. Und es waren Bettler, wie man sie sich so vorstellt. Alte Frauen, Invalide, selten Kinder.

Jetzt sehe ich viele junge Leute betteln, Frauen mit kleinen Kindern, Unversehrte. Kinder klopfen fast jeden Tag an meine Tür und betteln nach Essen. Ich gebe ihnen Brot, Datteln, Früchte. Sie sind, wie früher auch, nicht aufdringlich. Hat die Armut zugenommen? Ich glaube schon, ich glaube, ich hätte solche Zustände früher kaum übersehen, sicher bin ich mir nicht.

Ansonsten hat sich erstaunlich wenig geändert, das letzte Mal war ich 2004(mein 50. Geburtstag) hier. Aber diese Stadt ist auf eine äusserst subtile Weise so völlig anders als München z.B., dass ich jetzt anfange Eigenschaften wahrzunehmen, die ich früher nicht gesehen habe.

Damit sind wir wieder bei den wunderbaren Lebensmitteln. Direkt neben meinem Haus verkauft ein junger Marokkaner, so um die 24 Jahre alt, Obst und Gemüse auf der Strasse. Er spricht kein Wort Französisch, null, was eher ungewöhnlich ist. Wahrscheinlich kommt er jeden Tag vom Land mit seinen Waren herein gefahren. Er sieht irgendwie umwerfend sympathisch aus und ist auch sehr attraktiv, soweit ich das beurteilen kann. Lächelt im rechten Moment, ist ernst, wenn Ernsthaftigkeit angebracht ist. Wir verständigen uns bestens mit den Händen. Trotzdem ist es manchmal gar nicht so einfach, einen bestimmten Geldbetrag klar zu machen.

Er hat fast alles an Gemüse da, so dass ich nicht in die Medina gehen muss. Was mich am meisten erstaunt und beeindruckt ist die Frische und die Haltbarkeit einiger Lebensmittel. Karotten und Zwiebeln halten sich im Kühlschrank bis zu 3 Wochen so frisch, dass du keinen Unterschied zum Tag des Einkaufs feststellst. Bei Kartoffeln gibt es einen einfachen Qualitätstest. Wenn du sie anschneidest, erkennst du an der Trübung der Flüssigkeit auf dem Messer die Menge an gelöster Stärke. Je trüber diese Flüssigkeit ist, um so besser schmecken die Kartoffeln. Wenn diese Flüssigkeit auf dem Messer eintrocknet, hinterlässt sie einen deutlich deckenden weissen Film. Mach diesen Test mal mit deutschen Kartoffelsorten. Ich bin sicher, der Film sieht ganz blass und durchsichtig aus.

Oder Salat. Ich mach mir nach marokkanischer Art eine doppelte Portion(für den nächsten Tag) auf einem Teller zurecht. Dabei werden die Bestandteile in kleine Würfel geschnitten und in Kreissegmenten ungemischt nebeneinander auf dem Teller angeordnet. (>K) so etwa. Ich nehme Karotten, Weisskohl, Gurke, Tomaten, Zwiebeln, Paprika und Peperoni.

Wenn ich mal vergesse am nächsten Tag, die andere Hälfte zu essen und am dritten Tag erst dazu komme, es zu essen, merke ich keinen Unterschied im Biss, im Geschmack und in der Konsistenz. Versuch mal dieses Experiment mit deutscher Ware.

Die Preise für die Lebensmittel bewegen sich meist im Cent-Bereich. 1 Kg Karotten 20 Cents. Man kann hier mit sehr wenig Geld leben. 1 Dirham(8 Cents) ist für viele hier ein Gelbdetrag. Die Marokkaner lieben es, wenn etwas 1 Dirham kostet, ein Brot z.B. Das Brot hat eine ganz zentrale Bedeutung, jeder isst viel Brot und es wird ab 8 Uhr morgens den ganzen Tag über fortlaufend in die Geschäfte geliefert. So alle 3 Stunden kommt ein Motorradkurier mit einem grossen Korb und verteilt die Brote. Es ist praktisch ungesalzen, weder zu weich, noch zu hart, die Kruste weder zu lasch noch zu kross. Und obwohl für mich Weissbrot nicht gerade das Gelbe vom Ei ist, esse ich es gerne. Wiederum auf subtile Weise duftet es und schmeckt es sehr fein.

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