Donnerstag, 3. Mai 2001

1. Materialismus

Ich lebe seit einem halben Jahr in Zürich, einem der Zentren des Materialismus in dieser Welt, die am Abgrund steht. Ich habe mich eine Weile täuschen lassen von der guten Luft, dem guten Trinkwasser und der oberflächlichen Höflichkeit der Zürcher. Seit ich in Seefeld wohne, einer Hochburg des Schönen Scheins, kotzt mich dieser mehr oder weniger offen zur Schau gestellte Materialismus nur noch an. Es gibt in meinem Viertel 1 Kiosk und 1 MIGROS Filiale, die ich für meine Einkäufe aufsuchen kann, alle anderen Geschäfte, Cafes und Restaurants sind vermintes Gelände für mich, da sie entweder dummes, unnützes Zeuch anbieten oder astronomische Preise verlangen, auch der Bäcker und der Bioladen, der zwar Paradiesli heisst, aber dessen Preis-Leistungsverhältnis eher an eine Apotheke denken lässt. Ich würde mich auch in den Läden und Kneipen nicht besonders wohlfühlen, da mich die Besucher in ihren Business-Anzügen und Designer-Klamotten, den dezenten Statussymbolen am Handgelenk, dem Klunker an den Fingern und ihren neuesten IPhones, die angriffsbereit vor ihnen auf dem Tisch liegen, wie in einer Wild-West-Bar vor 150 Jahren, an seelenlose Automaten erinnern, die nimmermüde den täglichen Sermon von Status, Wohlstand und von der individuellen Selbstverwirklichung abspulen und mich unsäglich damit langweilen.

Ein anderes Beispiel für den Materialismus in dieser Stadt, die in der schicken linken Szene hier zutreffend gerne Zu-Reich genannt wird. Neulich lagen im Hausflur vor den Briefkästen auf einem Tischchen 6 in meinen Augen wunderschöne und edle Trinkgläser, die mit einer eingeschliffenen Girlande ringsum geschmückt sind. Diese 6 Gläser, zur Mitnahme durch Bewohner des Hauses, das ungefähr 10 Mietparteien hat, bestimmt, lagen volle 2 Tage unberührt, bis meine Freundin, die zu Besuch war, und ich uns entschlossen, beherzt zuzugreifen. Warum hat keiner vor uns diese wunderschönen Kristallgläser genommen? In dem Haus wohnen nach meinen Beobachtungen ganz normale Leute, gut durchmischt, was die Einkommenschichten betrifft, multi-ethnisch durchmischt wie in der ganzen Florastr., was ich aus den vielen Unterhaltungen auf der Strasse heraushören kann, die nachts lautstark vor meinem Fenster in Mexikanisch, Französisch, Italienisch und Kroatisch geführt werden. Gibt es in der Schweiz ein Tabu, gebrauchte Sachen, die als Geschenk angeboten werden, nicht anzurühren? Das ist wohl unwahrscheinlich, denn die Brocki-Läden von der Heilsarmee, die gebrauchte Möbel und Kleider, die aus Spenden stammen, preisgünstig anbieten, erleben laut Lokalpresse zur Zeit einen Run von jungen Leuten aus der Szene, die es schick finden, sich mit 50er Jahre Nostalgiekrempel auszustatten.

Nein, ich glaube die Leute hier sind dermassen saturiert, dass sie auch andere Kostbarkeiten liegen lassen würden, oder sie haben Tomaten auf den Augen. Natürlich brauche ich diese Gläser nicht. Und ich war vor 6 Monaten so stolz darauf, meinen Hausstand soweit reduziert und kondensiert zu haben, dass alles in mein Auto passt. Trotzdem habe ich zugegriffen, denn ich stehe hinter der second hand Benützung von Gebrauchsgegenständen. Meine Kleider und Schuhe sind mittlerweile zu 80% second hand oder milde Gaben von Freunden. Neue Möbel werde ich mir auf keinen Fall kaufen, ich werde versuchen, aus kostenlosem Karton welche zu bauen, wenn ich Bedarf habe. Mein Bett ist eine Lage Decken auf dem Boden, mein Schreibtisch ist eine grosse Glasplatte, die auf dem Fensterbrett aufgelegt und durch ein altes Plastikteil mit Schubladen vorne abgestützt ist. Den bequemen Drehstuhl von Ikea habe ich sehr günstig von einer Freundin in Leipzig bekommen. dem er nicht mehr bequem genug war. Meine Utensilien bewahre ich in Werkzeugkoffern und Plastikboxen auf, bestens für schnelle Umzüge geeignet.

Warum ich eine solche spartanische Lebensweise bevorzuige, wirst du dich vielleicht fragen, werter Leser? Nun, zum einen ist es für eine spacetraveller wie mich, einfach praktischer mit wenig Habe von Ort zu Ort zu ziehen. Die Räume, die ich bewohne sind oft klein und von den Bewohnern, die sie mir untervermieten meist schon mit 1000erlei Kram vollgestellt. Da bleibt wenig Raum für Eigenes, was mich wenig stört, denn das meiste von dem, was ich so mache, spielt sich meist in meinem Kopf während der langen Spaziergänge ab, die ich hier gerne unternehme. Der Rest spielt sich in meinem Laptop ab, der immer seinen Platz findet.

Der durchschnittliche westeuropäische Haushalt sammelt im Laufe der Zeiten ca. 100.000 Utensilien an. Da zähzlt wohl jede Schraube im Werkzeugkoffer, jedes chinesische Essstäbchen in der Küche und natürlich jedes Fläschchen, Tiegelchen und Shampoo-Tübchen im Bad mit. Auch alle Wäscheklammern, jeder Bleistift und Kuli und alle Spielzeuge der Kleinen, aber die Reiskörner und die einzelnen Blätter des  Schreibmaschinenpapiers bleiben wohl aussen vor. Ich könnte und werde meine Habe noch weiter reduzieren, denn meine Bedürfnisse reduzieren sich auch immer mehr und wenn ich etwas brauche, kann ich es mir oft selber herstellen, denn der grösste Teil meiner Habe, die ich mit mir herumschleppe, besteht aus Werkzeugen, Kleinmaterial und Fundstücken. 2 Töpfe und eine Pfanne, Kartoffelschäler, ein gutes Messer, Gewürze, eine Espressokanne, das sollten eigentlich genügen, um meine kulinarischen Abenteuer, denen ich zuweilen fröne,  zu ermöglichen. In der letzten WG, in der ich gewohnt habe, gab es unzählige riesige Töpfe, die keiner benutzen wollte, denn jeder hat nur für suich gekocht, und mein einziger Topf war ständig in Benützung, denn es leuchtete jedem ein, dass die Bereitung einer Portion Reis, keinen Riesentopf erfordert. Es gab 4 Kartoffelschäler, 6 Spülbürsten und eine Unmenge von mehrfach vorhandenen anderen unnützen Utensilien, die die Schubladen und Regale verstopften und zu einem undurchdringlichen Verhau machten, bis ich vorsichtig und sehr langsam Dinge verschwinden liess und in Tupperboxen einlagerte, wie ein Friseur die Haarfülle mit der Filierschere ausdünnt, damit ein gefälliges Aussehen möglich wird.

Dieser Überfülle, diesem Terror der Utensilien, begegne ich überall. Eine Schublade, in der eigentlich das Besteck seinen Platz hat, entdeckte ich einmal in einem Luxus-Haus einer Freundin eine klobige, originalverpackte Maschine, mit der du Crème brûlée machen kannst, so eine Art Pudding. Auf die Frage an die Gastgeberin, wie lange die Maschine schon im Besteckkasten unausgepackt liegt, erfuhr ich, dass sie der Tochter gehöre und seit etwa 2 Jahren dort liege. Hmm, das Ganze führte dann schlussendlich zu einem Rausschmiss und zum Hausverbot, da mein Vorschlag, die doppelt und dreifach vorkommenden Utensilien etwas mit der Filierschere auszudünnen, Verarmungs- oder Enteignungsängste ausgelöst zu haben scheint.

Die Gastgeberin ist 'grün' eingestellt, d.h. sie sortiert brav den Müll  

Wege aus dem Materialismus
Als Utilarist und Pragmatiker will ich als erstes einen Weg aufzeigen, der ganz schnell helfen kann, deine Habe, die dich vielleicht in deiner Mobilität und Freiheit behindert, zu verdichten und damit zu vermindern. Um das Prinzip klarzumachen hole ich etwas aus und mache einen Exkurs in die geistige Welt.

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1. Exkurs: Der Babylonische Siebenstern

Mit den Babyloniern beginnt die westlche Astrologie. Die Babylonier kannten die 12 Sternbilder und die 7 Wandelsterne. Dazu gehören Mond, Sonne, Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn. Bei ihren astronomischen Beobachtunngen fiel ihnen die unterschiedliche Geschwindigkeit auf, mit der sich die Planeten und der Mond bewegten. Am schnellsten ist der Mond mit ca. 28° Winkelgrad pro Tag, am langsamsten der Saturn, der 28 Jahre braucht, um einmal vollständig durch den Tierkreis zu ziehen. Diese Erkenntnis stellten die Babylonier symbolisch am Siebenstern dar. In der Zeichnung siehst du die Reihenfolge der Planeten dargestellt, die durch die scheinbare Umlaufgeschwindigkeit am Himmel bestimmt wird. Das ist ganz interessant, aber nichts Sensationelles.Das kommt jetzt. Wenn du der Verbindungslinie folgst, dievom Mond ausgeht, kommst du zum Mars, von dort zum Merkur, Jupiter, Venus, Saturn und zuguterletzt zur Sonne.

Am Mondtag, zu Beginn der Woche, stehst du unter dem Einfluss der Mondin(La Luna). Du bist verträumt oder verkatert, wechselnden Gefühlen unterworfen, und am Montdtag werden Montagsautos produziert, die FriseurInnen hatten früher montags zu, vielleicht weil der Mond auf das Haareschneiden zu starke und negative Einflüsse hat. Der Mondtag, Ausgangspunkt unserer Reise entlang der Kanten des Siebensterns, führt uns zum Mars, dessen Wochentag auf franz. Mardi heisst und unser Dienstag ist. Dienstags kannst du die feurige Energie des Mars für gewagte Unternehmen und Erfolge im Sport nutzen. Mercredi ist der Tag, der Merkur geweiht ist, und bei uns Mittwoch heisst, ein Tag an dem die merkurischen Qualitäten eine gute Kommunikation ermöglichen, ein Tag an dem auf dem Lande nachmittags arbeitsfrei ist bzw. war, ein Tag an dem du Freunde besuchen kannst oder auf Parkbänken ein Exemplar der Neuen Zürcher Zeitung komplett mit Wissenschaftsteil neben einem abgegriffenem Buch mit dem hermetischen Titel 'Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten'.  Manche ÄrztInnen und deren Personal machen an diesem Tag ihre Praxis nachmittags zu und sie gehen auf den Golfplatz, wo sie sich mit ihren Freunden treffen und die aktuell angesagte Autofarbe erörtern. Ich glaube, im Moment ist grad schwarz angesagt, also in Zürich und München, in Leipzig eher nicht. Der Donnerstag heisst Jeudi, die Lateiner nannten Jupiter auch Iovis, ein Tag der dem persönlichen Fortkommen förderlich ist und Glück verheisst. Venus, deren germanische Entsprechung Freya ist, so wie Odin dem Mars, und Wotan dem Jupiter entspricht, was Dienstag und Wednesday im Englischen erklärt, war namensstiftend für den Wochentag Vendredi und unserem Freitag. Wen wunderts, dass wir dem Friday Night entgegenfiebern,den mit dem Wochenende beginnt für dich vielleicht eine potentiell kreative Zeit , oder zumendest die Möglichkeit zu relaxen und zu feiern, dich zu befreyen. Saturday ist dem Saturn zugeordnet, es muss wohl aber auch eine germanische Gottheit mit dem Namen Sam geben, worauf Samedi und Samstag hindeuten. Bin zu faul, zum Wiki zu greifen und googlen dürfte als Ergebnis nur ewig viele Veweise auf die rothaarige Familie der Sams generieren. Was tun am Saturn-Tag? Nun bei den Juden ist dieser Tag dem Studium mehr oder weniger geistiger Schriften und deren Kommentaren gewidmet, der Fortpflanzung, der Regeneration, dem Flanieren, der Braut- und Bräutigamschau und der Sportschau. Am Sonntag zuletzt ist bei Sonnenschein ein Spaziergang erwägernswert, oder Familienaktivitäten, da indirekt infolge der Zuordnung des Löwen, der für die Familie steht, zur Sonne, dieses Lebensthema aufscheint. Aber das würde schon sehr weit in die Bildersprache der Astrologie hineinführen. 

Worauf ich hinaus will, ist folgendes. Wenn du dir einige wenige Strukturelemente merken kannst, wie Siebenstern, Reihenfolge der Wandelsterne mit Mond, Sonne, Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn, und dann der dem Siebenstern innewohnenden Gesetzmässigkeit entlang der Kanten folgst, findest du die Reihenfolge und Zuordnung der Planeten zu den Wochentagen, erinnerst dich an die Namen der germansichen Götter, durch die Wochentage erinnerst du dich an die dir bekannten innewohnenden Qualitäten des Wochentages, an an die Montagautos, die am Mittwoch nachmittags geschlossenen Arztpraxen und dem merkurischen Einfluss, und immer so weiter. Das Geheimnis und der Zauber des Babylonischen Siebenstern beruhen auf einer Eigenschaft, die ich Verdichtung oder Überdeterminiertheit nenne.