Montag, 18. April 2011

C215 Street-Art in Essaouira

Im Jahr 2009 verbrachte ich 4 Monate in Essaouira und auf dem Land in der Umgebung in Dar Diaf. Zur Zeit des Gnaoua-Festivals neigte sich mein Aufenthalt dem Ende zu, da du in morocco nur 3 Monate bleiben darfst, aber da ich unbedingt das berühmte Festival miterleben wollte, überzog ich grosszügig und scheiterte bei dem Versuch, das Land zu verlassen am Airport bei der Ausreise. Alles zurück hopp hopp. Nach einer lustigen und denkwürdigen Verhandlung und einer Geldstrafe von 150 DH (zum Vorzugspreis) liessen sie mich ziehen und ich flog nach Paris, wo ich einen netten Fotoshoot hinlegte, 



dem anschliessend in Freiburg im black forest hostle ein ähnlich guter Fang folgen sollte. 



Aber das sind andere Geschichten.


Im Juni 2009 hatte der Streetart und Stencil-Künstler Christian Guémy alias C215 von der Stadtverwaltung Essaouiras für die Dauer des Festivals die Erlaubnis erhalten, an den Mauern und Wänden in der Stadt seine Kunst zu versprühen. 
 
Ich bin ihm leider nicht begegnet, ich wusste damals auch noch nichts von seinen Arbeiten, der Zufall wollte es jedoch, dass ich buchstäblich über seine Kunst gestolpert bin. Ich wunderte mich schon etwas über die hohe Qualität der Graffitis auf den Wasserwerkdeckeln und auf einer Tür in der Strasse, in der ich wohnte, machte auch 3 Fotos davon, die du unten siehst, aber ich dachte mir erst mal nichts weiter.




Später, zurück en europe, kehrte ich an meinem PC immer wieder zu diesen 2 Portraits zurück und in mir wuchs die Gewissheit, je mehr ich mich in die Bilder vertiefte, dass ich zufällig auf einen der Grossen in der Kunstszene gestossen bin. Ich fragte meine Freundin S. um ihre Meinung, da sie für mich so eine Art Expertin ist, wenn es um Fragen der Kunst geht, da sie beruflich schon lange mit Kunst zu tun hat. Sie schrieb zwar nur kurz und knapp, "da hast du wohl den arabischen Banksy entdeckt“, was mir als Hinweis jedoch ausreichte, so dass ich begann, mich für Banksy und für Stencils zu interessieren.



Meine Versuche im Internet mehr über den Künstler zu erfahren, scheiterten, da ich mich die ganze Zeit durch sein Signet habe foppen lassen, welches der einzige Hinweis zum Auffinden weiterer Arbeiten von ihm war. Ich las immer U25 oder U2S, aber ich konnte die mittige Kante des Würfels nicht als die Ziffer 1 erkennen, und so blieb mir das Anagramm C215 verborgen, das vollständig AKA C215 lautet und welches die Nummer seiner Gefängniszelle während eines Hafturlaubs in Paris war.

Letztes Jahr im August besuchten S. und ich den bookshop in der Kunsthalle Zürich*, da S. mit grossem Vergnügen Museums-bookshops inspiziert, rein aus beruflichem Interesse versteht sich. Ich nutzte die Gelegenheit und scannte schnell alle Bücher durch, die sich mit streetart befassten, und siehe da, in einer der Anthologien entdeckte ich die Bilderwelt von C215.


Das Bild des Arabers mit dem Turban, der auf dem Teppich sitzt mit … , ja mit was eigentlich? Meine erste Interpretation lautete: "Der moderne Araber auf seinem magischen Teppich", den ich sah eine Cola-Flasche und ein Transistor-Radio und dachte an ein Picknick in der Wüste, bei dem die unverzichtbaren Zivilisationsgüter Cola und marokkanische Gesangskunst nicht fehlen dürfen.


Ich musste meine Deutung revidieren, es handelt sich keineswegs um ein Radio, sondern um einen Schuhputz-Kasten, und der moderne Araber sitzt an seiner Arbeitsstelle, wartet auf Kunden und stählt seine Nerven und seine Geduld mit Cola, die wilden orientalischen Rhythmen hört mensch heute hingegen über das Handy aus dem Internet, jedenfalls ist es hier so.

Ich habe das umfangreiche Oeuvre des Meisters aus Paris vorg-estern durchgescannt, habe mich durch 72 Alben mit insgesamt über 1000 Bildern durchgearbeitet und bin dabei auf das Bild eines anderen Schuhputzers, diesmal in Fes, gestossen. Deswegen habe ich das Transistor-Radio zu einem Schuhputz-Kasten umgedeutet. Bei der Recherche zu C215 fanden sich mehrere Hinweise in seinen Interviews, die sein ungewöhnliches Engagement und seinen Respekt für die Menschen am Boden des grossen Gärkessels in aller Welt bezeugen.









Bei der Durchsicht fielen mir auch 2 Selbstportraits auf, so dass ich in den Gesichtszügen des modernen Arabers auf seinem fliegenden Teppich nun auch die Physiognomie von C215 erahnen kann.




Rembrandt van Rijn im Alter von 23 Jahren








Wie sehr muss ein Maler in das Malen vernarrt sein, um sich selbst während seines Leben annähernd fünfzigmal in Farbe, zwanzigmal in Radierungen und ungefähr zehnmal in Zeichnungen abzubilden?

Oder war es eher Eitelkeit, die Rembrandt van Rijn dazu antrieb, sich im Spiegel genau studierend, das Geschaute für die Nachwelt festzuhalten? Seine Malerkollegen taten das selten oder nie, sie beschränkten sich darauf, für die reich betuchte Amsterdamer Klientel ausschliesslich zeitgenössische Genrekunst zu fabrizieren, die sich auf dem Kunstmarkt auch verkaufen liess.

Selbstverliebtheit als Motiv für Rembrandts Selbstportraits schliesse ich aus, denn Rembrandt war kein schöner Mann, und das hat er in seinen Ölbildern auch nie verbergen wollen, hat uns mutig seine Kartoffelnase gezeigt, uns seine Schweinsäuglein sehen lassen, die während seiner ersten Lebenshälfte immer interessiert, freundlich und voller Erstaunen und Faszination in die Welt blicken.

Im Alter wird der Blick kritischer, manchmal ironisch, zuweilen sardonisch, stets klar und voller Verständnis, zuletzt blickt uns ein weiser alter Mann an, der alles gesehen hat, was es zu sehen gibt, ein aufrechter Greis, dem nichts Menschliches mehr fremd ist.

Es ist seine Gleichgültigkeit gegenüber dem Kulturbetrieb, gegenüber den Moneten, gegenüber der Klientel, die ihn die Nachtwache als ein ironisch gebrochenes Spektakel malen lässt, ein grossformatiges, in dramatisch beleuchtetes Halbdunkel getauchtes Meisterwerk, in dem er den blasierten und langweiligen Kaufmannsherren, die prächtig als Bürgermiliz herausstaffiert sind,  scheinbar ein heroisches Denkmal setzt, das in Wahrheit jedoch mit falschem Pathos und den schlecht versteckten Schmerbäuchen der Bürgerwächter vergiftet ist.

Ich komme noch auf Rembrandts Gleichgültigkeit gegenüber dem Kulturbetrieb zurück, an der passenden Stelle, jetzt will ich dem vorgegebenen geraden Kurs weiter folgen, und ein wenig mehr über C215 zusammentragen.

berlinpiraten: Which countries have you visited on your way so far and where did you like it best?

C215
: That year I painted in India, Israel, Brasil, Poland, USA, Senegal, Morocco and some European countries, but Morrocco is my favourite country so far.

.....

berlinpiraten: Where do you take your motifs from? How do you choose them? And what do you want to reveal with the help of them?

C215
: Each stencil has it own story. Most of my stencils come from my own pictures, but some also come from friends, or photographers with whom I collaborate. The most important thing for me is the feeling inside, the expression of the eyes, and the story behind.

berlinpiraten: Are there differences between e.g. works that you have placed in the south american favelas and the works that we will see from you in Berlin?

C215
: You won’t get favela kids but western stuff as homeless people, beggars etc.


Ich fasse soweit zusammen. Christian Guémy reist gerne und viel, mensch könnte sagen, er ist ein spacetraveller, er liebt Marokko, ihn faszinieren die Augen eines Menschen und die Geschichten, die die Augen dem dafür offenen Betrachter erzählen können, er hat ein besonderes Auge für die Kinder und die Hunde und die Katzen dieser Welt und er schaut auf Bettler und Obdachlose nicht herab, sondern begegnet ihnen auf Augenhöhe, soweit ihm das möglich ist.

Die Augen. Spiegel der Seele. Das wichtigste Detail, auf das der Mensch achtet. Blickkontakt aufnehmen, lernen wir von Kindesbeinen an. Achtet auf die Augen!
In den Arbeiten C215s, und auch sonst.














Ich liebe diese verfallenden Gebäude, den abblätternden Putz, die rostigen Schlösser und Riegel, die roh zusammengehauenen Fensterläden.  Dieses immer wiederkehrende Ambiente in den Bildern des Künstlers vereinigt sich mit den kraftvollen Stencils, die C215 mit vollkommener Sicherheit auf den passenden Hintegrund zu setzen weiss, zu einer überwältigenden und gleichzeitig sehr flüchtigen Kunst, die genauso flüchtig ist, wie der beständig wehende Flugsand in Essaouira, der an den Fassaden nagt und die Häuser langsam verfallen lässt.

Von den 32 Portraits, die C215 vor 3 Jahren gesprüht hat, sind nur noch 3 erhalten, der Rest ist übermalt worden und von den Strassen der Stadt verschwunden. Das weiss ich genau, denn ich habe hier mehreren Leuten die Bilder von C215 im Internet gezeigt, auch einem Briefträger, und sie schüttelten alle nur traurig mit dem Kopf. Vanitas - Windhauch.

Eines haben Rembrandt, Christian Guémy und Banksy gemeinsam, und das ist ihre Gleichgültigkeit gegenüber einem Kulturbetrieb, der ein Kunstwerk als bedeutend erachtet, wenn es im Kulturschutzbunker für alte Meister gehängt  worden ist, wenn es bei Sothebys $.$$$.$$$.$$$ wert ist, und wen blutarme Feulletonisten hoch oben von ihren Elfenbein-Minaretten aus ihr Platzet dazu gegeben haben.




Originally from Paris, Christian describes museums as ‘dead places‘ with streets being ‘the best art galleries in the world‘. He says there is a ‘unique sensation‘ in doing artwork that is effectively illegal in most places. He doesn’t describe himself as a vandal, however, with his work attracting less and less trouble, as it becomes more accepted in society, particularly through the right placement of his pieces. --...^



berlinpiraten: What makes out the difference between Street Art and Graffiti basically?

C215
: Graffiti is marking territory by vatching attention on a name (then placing it at the wrong place) while street art aims at placing art in the right place, as if it should have been there forever.

Fassen wir zusammen. C215 hält Museen für tote Orte, dagegen erachtet er die Strassen als die besten Galerien der Welt. 

Grafitti ist zu einem Markieren des eigenen Territoriums entartet, ein Name oder ein tag wird genau beobachtet, wie die anderen Sprayer darauf reagieren, dann wird der tag an einem falschen Ort, in ein fremdes Territorium platziert, und wieder beobachtet, wie die Konkurrenz reagiert. Street Art dagegen findet den richtigen Ort für Kunst, als ob sie schon immer dort ihren Platz hatte. 

Dem stimme ich voll und ganz zu. Für mich ist es ein ständiges Ärgernis in den Strassen einer europäischen Stadt meiner Wege zu gehen, und dabei von den phantasie- und geistlosen Schmierereien pubertierender Vandalen an den Hauswänden belästigt zu werden ! Diese drögen Sprayer mit ihren nie und nirgendwo endend wollenden langweiligen Buchstaben-Gebirgen öden mich einfach nur an.

Diese Machwerke und deren Erzeuger erinnern mich an die Markier-Obsession von Amadeus, der durchschnittlich alle 14.6 m eine Duftmarke in seinem imaginären Territorium verspritzen musste, Göttin habe ihn selig. Hier seht ihr ihn in Aktion:


_______________|\
        /    /\/o\_
       (.-.__.(   __o
    /\_(      .----'
     .' \____/
    /   /  / \
___:____\__\__\____ AMADEUS, HIHI
 
 


Ich habe in Zürich mitbekommen, dass die Traditionsmarke CAMEL der Urban-Art, das ist ein Synonym für das Verunstalten von Häuserwänden, mit einer Kampagne Beachtung gezollt hat und damit bei den jungen Rauchern in der Schweiz ein sehr positives Echo fand. Einer der "Künstler", die geehrt wurden, war der Basler Sprayer Sigi von Koeding (Dare), der an vorderster Front für diese Verbrechen am guten Geschmack verantwortlich zu machen ist, bzw. verantwortlich zu machen war, denn er ist zwischenzeitlich einem Hirntumor erlegen. Ich vermisse an den Wortgebirgen der urbanen Schmierfinken das Fünkchen Geist, das den Kern und das sine qua non jeglicher Kunst ausmacht, wie S., meine Kunstexpertin, sehr treffend neulich bemerkte. Puh, jetzt habe ich mich doch tatsächlich echauffiert, meiner Empörung zügellos Ausdruck verliehen, obwohl ich doch eigentlich kein Wutburger bin und an auch der Empörungskultur nicht teilhaben möchte.

Ich habe mir die geringe Mühe gemacht, die Orte aufzuzeigen, an denen C215 aktiv war

An diesen Orten in Europa, Nordafrika und im Nahen Osten hat C215 seine flüchtigen Duftmarken versprüht, ohne jemandem damit auf den Wecker zu gehen, im Gegenteil, er hinterliess seine Spur der Bilder zur Freude und zur Ergötzung der unzähligen kids und adults in den favelas Sao Paolos, den Suburbs Neu Delhis und in den verfallenden Strassen Brooklyns, ohne sich einen Deut darum zu scheren, dass seine Arbeiten bald verwittert und übermalt sein würden, ohne daran einen Gedanken zu verschwenden, dass das Sprühen von Strassenkunst ein illegales Handwerk ist, und dass er für seine genialen Werke niemals einen Pfifferling bekommen würde, hat ihn dabei wenig bekümmert.







Wie klein manche der Arbeiten sind, wird hier deutlich. Auf diesem Bild können wir dem Meister bei der Arbeit über die Schulter sehen.






Manche Motive, wie diese Katze, sprüht er immer wieder und an verscheidenen Orten; diese Motive scheinen ihm wichtig zu sein. Das ist das Schöne an Stencils, du kannst sie immer wieder hernehmen.



Besonders angetan scheint er von der verschleierten Frau mit dem irren, ja fast schon tollwütigen Blick zu sein, die er in verschiedenen Formaten und Farbvariationen bearbeitet hat. 




Schon bei der ersten Begegnung mit dem Duktus seiner Stencils in der Strasse des Riad Abduss fiel mir ein Detail seines unverwechselbaren Stils auf. Damit  meine ich nicht die netzgitterartigen Strukturen in seinen Bildern, sondern die Art und Weise, wie er kunstvoll Arabesken für den Hintergrund auswählt, die kontrapunktisch gegen das eigentliche Motiv im Vordergrund gesetzt werden. Ich meine diese arabischen Kacheldekors, diese an Mandalas oder Chinoiserien erinnernden abstrakten Tapetenmuster in den Kompositionen, die für sein Werk stilbildend sind.

You gotta have style, yep, shakehands.








Siehst du hier auch eine verschmitzte Ironie hervorblitzen? Heilig-heilig-heilig !




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Upps, hier habe ich einmal zu oft auf den WEITER-Button geklickst, kein Wunder, nach der Durchsicht von 12322, upps 1232 Bildern, wirst du etwas ramdösig, will sagen benommen und unkonzentriert, aber sei es drum, ich lasse diesen kuriosen, mit Zahbürste und Zahnpasta bewaffneten beau einfach mal stehen, nicht zuletzt weil sich die Königin der Kelche in den Medien öfter mal entblösste Männer mit blank gezogenem und unzensiertem Schniedelwutz wünscht.

* Nebenbei, ich gehe schon seit einigen Jahren nicht mehr in Museen, schneubisch wie ich bin, denn die Musen besuchen mich inzwischen daheim, vorzugsweise am Samstag, und nicht selten schlabbern sie mich ab, manchmal hauchen sie mir auch nur einen flüchtigen Kuss auf meine Stirn, ich kann mich nicht beklagen.

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http://www.c215masks.blogspot.com/


http://streetart.berlinpiraten.de/c215-putting-some-life-in-the-streets/

on the wall" article by Dipanita Nath in Express India (Oct 31, 2008)
more :

http://www.visualblog.de/2010/10/weekly-inspiration-57-christian-guemy-special/

http://apeonthemoon.com/2009/03/23/street-art-of-christian-guemy-aka-c215-2/

http://www.electru.de/2010-06-02/stencil-art-by-c215-christian-guemy/7

http://urbanartstudio.ch/index.php/erstest-projekt/

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